
Auf der Suche nach einem Beginn der Philosophie stieß ich auf Thales von Milet. Er lebte ca. 624 – 548 v. Chr., vor rund 2.500 Jahren. Seine Philosophie entstand somit zu der Zeit, einhundert Generationen vor meiner eigenen. Gar nicht so lange her? Bedenkt man, dass vor ca. zehn Generationen die Französische Revolution in vollem Gange war, fühlt es sich schon deutlich länger an.
Thales lebte sein ganzes Leben in Milet, einem der wichtigsten Stadtstaaten des damaligen Mittelmeerraums, in der heutigen Türkei. Aufgrund dessen, dass er ein erfolgreicher Kaufmann war, reiste er viel, kehrte jedoch immer wieder in seine Heimat zurück. Von seinen Reisen, gerade nach Ägypten, brachte er unter anderem viel mathematisches und astronomisches Wissen mit und entwickelte es weiter. So sagte er angeblich eine Sonnenfinsternis exakt voraus, was zur damaligen Zeit einem kleinen Wunder nahekam. Auch Wetterphänomene wurden eher den Launen der Götter zugeschrieben, bis Thales vieles meteorologisch erklärte. Eine der berühmtesten Leistungen, die ihm nachgesagt werden, ist das Errechnen der Höhe der Pyramiden in Ägypten. Er maß seinen eigenen Schatten und den der Pyramide zur gleichen Uhrzeit und konnte somit die Höhe des Bauwerks berechnen. So simpel und doch genial. Oder etwa doch nicht?
Heutzutage gibt es nicht wenige Philosophen und Historiker, die nahezu alles skeptisch betrachten, was über Thales „überliefert“ wurde. Denn eines der Kernprobleme mit Thales ist, dass er selbst nie etwas niedergeschrieben hat. Alles, was man heute über ihn zu wissen glaubt, wurde von Personen festgehalten, die teilweise mehrere Jahrhunderte nach ihm lebten. Stille Post ist schon über wenige Stationen ein Problem, über Jahrtausende hinweg erst recht. Gut möglich, dass man sich auf der Suche nach einem Ursprung der Philosophie, Thales als perfekten Darsteller rausgepickt hat. Es wurde hier und da etwas hinzugedichtet und Schwupps, hatte man den ersten Philosophen erschaffen.
Schaut man genau hin, so gibt es nämlich mehr als nur ein Problem. Zum Beispiel wird Thales die Vorhersage einer Sonnenfinsternis zugeschrieben, was jedoch vermutlich eher ein Zufall war. Die mathematischen und astronomischen Kenntnisse, die dafür notwendig gewesen wären, waren zumindest in Griechenland noch nicht bekannt. Auch auf seinen Reisen z.B. nach Ägypten sollte er sich diese noch nicht angeeignet haben können.
Doch egal, ob es nun wahre Geschichten sind, die mit seiner Person in Verbindung gebracht werden, oder nicht, er ist und bleibt ein wichtiger Punkt in der Geschichte der Philosophie. Jedenfalls kann man behaupten, dass er für die nachfolgenden Philosophen und deren Gedankenwelt ein wichtiger Startpunkt war.